Wu-di von Han
(Wu-ti, Wu-Ty, Kaiser Wu (von Han), geboren als Liu Che; chinesisch 漢武帝 / 汉武帝, Pinyin Hàn Wǔdì, * 156 v.u.Z.; † 29. März 87 v.u.Z.)
Zum Todestag des auch dichtenden Kaisers ein Gedicht in drei deutschen Versionen. Ich füge die jeweilige Schreibweise des Namens hinzu. Man sieht schon von außen, dass es drei sehr unterschiedliche Gedichte geworden sind. Von den dreien konnte nur der dritte Chinesisch und dürfte aus dem Original übersetzt haben.
Hans Bethge 1920
HERBST
KAISER WU-TY
Der Herbstwind tobt, die weissen Wolken jagen
Mit Schwärmen wilder Gänse um die Wette,
Vergilbte Blätter taumeln durch die Luft.
Die Lotosblumen welken ab, die Rosen
Stehn ohne Duft. Mich martert die Erinnerung
An Eine, die ich nicht vergessen kann.
Ich muss sie Wiedersehn! Ich mache eilig
Das Boot los, um in ihm das andre Ufer
Des Flusses zu erreichen, wo sie wohnt.
Der Strom geht stark, das Wasser rauscht wie Seide
Und quillt empor und kräuselt sich im Winde,
Trotz aller Mühe komm ich nicht vom Fleck.
Mir Mut zu machen, heb ich an zu singen.
Doch wehe! meine Schwäche bleibt dieselbe,
Und traurig und in Qualen stirbt mein Lied.
O Liebesglut! Du drängst zu ihr hinüber,
Die mich erfüllt, — ich aber kann nicht folgen,
Ich bin im Herbste, meine Kraft ist aus.
Der Herbst des Lebens weht durch meine Tage,
Ich sehe in die Strömung und erblicke
Ein Greisenbild erzitternd unter mir.
Aus: Hans Bethge, Die chinesische Flöte. Nachdichtungen chinesischer Lyrik. Leipzig: Insel, 1920, S. 9f
Klabund o.J. (1929)
Kaiser Wu-ti
RUDERLIED
Und der Herbst hat sich erhoben,
Und die wilden Gänse toben.
Führ das Ruder, lieber Bruder,
Eh in Asche du zerstoben.
Laß, o laß die Chrysanthemen,
Laß, o laß die blassen Schemen!
Führ das Ruder, lieber Bruder,
Und die Wogen laß uns zähmen.
Nimm ein Weib nach deiner Weise
Auf die wilde Wogenreise.
Führ das Ruder, lieber Bruder,
Eh der Kiel zerbarst im Eise.
Aus: Klabund, Chinesische Gedichte. Gesamtausgabe. Wien: Phaidon o.J. S. 11
Günter Eich 1958
Kaiser Wu-di von Han
Auf einer Flußfahrt geschrieben
Herbstwind erhebt sich und die weißen Wolken fliehen.
Verwelkt sind Gras und Baum. Wildgänse südwärts ziehen.
Im edlen Hauch der Orchidee, im Chrysanthemenprangen
Gedenke ich der Liebsten, ach, mit innigem Verlangen,
Wo auf dem Fën-Fluß meine hohen Schiffe gleiten,
Seh ich im Strom den Schaum der Wellen sich verbreiten.
Von Flöt und Trommel tönt das Ruderlied.
Doch mitten in der Lustbarkeit hat Schwermut mich umfangen,
Dem Alter, ach, entrinn ich nicht, die Jugend flieht.
Aus: Lyrik des Ostens: China. Mit einem Nachwort von Wilhelm Gundert. München: dtv 1961 (zuvor Hanser 1958)